Dokumentarfilm
´43, ZDFDokukanal; HRT, 2009
13 Jahre nach dem Krieg in Kroatien, 10 Jahre nach dem Krieg in Bosnien… Die Straßen, die nach Okucani führen, sind gesäumt von durchlöcherten Hausruinen. Die Menschen haben kein Geld für Renovierungen, nicht mal für den Abriss. In dieser Region Slawoniens, an der kroatischen Süd-Grenze zu Bosnien, wurde während des Krieges 1991–1995 hart gekämpft. Hier verlief eine der vielen Frontlinien im Krieg der Serben gegen die Kroaten. Heute leben hier überwiegend Kroaten, manche sind nach dem Krieg zurückgekommen, manche sind geblieben und andere sind aus Bosnien oder Serbien vor einem anderen Krieg hierher geflohen.
…haben Kinder Krebs.
Der 13-jährige Zoran Prankic lebt mit seiner Familie seit zwei Jahren in Ratkovac, ein Dorf, das zwischen Okucani und Nova Gradiska liegt. Das erste Mal seit Kriegsende haben sie hier ein Haus mit fließendem Wasser und Elektrizität gefunden. Zoran hatte Krebs. Ende Dezember 2006 hat er sich beim Fußballspielen verletzt und bekam danach starke Schmerzen. So wurde der Tumor, ein aggressives Osteosarkom, in seinem linken Knie entdeckt. Er wurde 1995 in Banja Luka, Bosnien, geboren — mitten im Krieg.
Der Zusammenhang zwischen Krieg und Krankheit ist offensichtlich…
Zoran ist kein Einzelfall in den ehemaligen Kriegsgebieten in Slawonien und Bosnien. Derselbe Tumor, oft sogar an der gleichen Stelle, ist bei vielen Kindern im Alter zwischen 10 und 15 Jahren in der Region diagnostiziert worden. Die genaue Zahl kennt bis heute niemand. In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der krebskranken Kinder in Kroatien prozentual leicht gestiegen. Experten prognostizieren einen noch deutlicheren Anstieg in den kommenden Jahren. Sie vermuten einen Zusammenhang mit radioaktiven Waffen, so genannter DU-Munition, die im Krieg eingesetzt wurde. Neben psychischen Traumata, könnte auch das einen Einfluss haben. DU-Geschosse sind eine beliebte Waffe in der modernen Kriegsführung, da sie Panzer brechen können. Die USA haben sie in beiden Irak-Kriegen verwendet und die Nato zur Bombardierung Serbiens und Bosniens. Die winzig kleinen Staubpartikel, die bei der Explosion von DU-Waffen freigesetzt werden, wirken sowohl radiotoxisch als auch chemotoxisch. Durch die Lunge gelangt das Schwermetall in den Organismus.
Abgereichertes Uran gilt zwar als gering strahlend, dennoch bedroht es vor allem Kinder. Selbst eine geringe Urantoxid-Belastung, kann bei ihnen nach 10–15 Jahren Krebs auslösen.
…doch offizielle Messungen wurden bis heute nicht erhoben.
Das dramatische Problem der steigenden Krebserkrankungen bei Kindern in der Region ist im In- und Ausland bekannt. Doch bis heute gibt es aus Mangel an wissenschaftlichen Untersuchungen keine konkreten und nachweisbaren Zusammenhänge. Die meisten der Kinder sind im oder kurz nach dem Krieg geboren. Kinder im Alter von Zoran. Neben den beschriebenen Knochentumoren bekommen sie Gehirntumore, wie die 14-jährige Matea Tokic aus Nova Gradiska, Leukämie oder haben das Hodgkin oder das Non Hodgkin Syndrom. Auch die 14-jährige Martina Peunic hatte Krebs, einen besonders bösartigen. Martina ist im Dezember 1994 in Donji Vanos geboren, einem kleinen kroatischen Dorf am Ufer des Flusses Sava, direkt an der Grenze zu Bosnien. Ein Dorf, das, wie alle Grenzorte, monatelang unter ständigem Beschuss lag. Als sie fünf Jahre alt war, wurde bei ihr ein Bindegewebstumor festgestellt. Martina hatte schon nach der Tumordiagnose nur eine 1%-ige Überlebenschance. Noch dramatischer wurde es, als sie nach der Operation ein komplettes Nierenversagen bekam. Doch Martina lebt. Durch die Chemotherapie und andere Medikamente bekam sie eine Osteoporose und hat sich das linke Bein mehrfach gebrochen. Sie geht auf Krücken, aber sonst ist sie wohl auf — für alle überraschend. Sie kann wieder zur Schule gehen und sie schreibt Gedichte. Es sind bemerkenswerte Gedichte, sie hat echtes Talent. Am liebsten würde sie Lieder-Texte schreiben und vielleicht irgendwann damit Geld verdienen.
Katja Duregger betrachtet ein ernstes Thema unserer jüngsten Vergangenheit durch die Augen von Kindern, die eigentlich die Opfer sind — und trotzdem den Film durch ihre Hoffnung und Fröhlichkeit bestimmen.
Buch/Regie: | Katja Duregger |
Schnitt: | Volker Gehrke |
Kamera: | Siniša Galar |
Ton: | Dario Maešic |
Licht: | Dubravko Topol |
Musik: | Gregor Schwellenbach |
Inhaltliche Beratung und Übersetzung: | Ruža Andlar |
Herstellungsleitung: | Connie Kellers |
Produktionsassistenz: | Kerstin Krieg |
Produzent: | Gerd Haag |
Redaktion: | Dr. Gabriele Weyand, ZDF Dokukanal; Vedran Vukasinovic, HRT Kroatien |